Zwischen den Zeilen
Vom Jäger zum Gejagten
À cœur vaillant, rien d'impossible
Mit einem mutigen Herzen ist nichts unmöglich.
Heute hab ich eine tolle Buchempfehlung für alle Fans von "Die Tribute von Panem" von Suzanne Collins und "Die rote Königin" von Victoria Aveyard.
Eine Welt, in der die Adeligen Magie besitzen, die Bürgerlichen jedoch nicht, mit Jagdspielen, einem Kampf um den eigenen Status oder die eigene Freiheit - und nicht letztendlich ums Überleben. Erziehung, Tradition und Systeme werden hinterfragt, Freunde verraten und Herzen gebrochen. Geheimnisse, Lügen und Intrigen stellen das Vertrauen zu den Liebsten auf die Probe.
Kurzum: diese Reihe hat alles, was eine gute Romantasy Geschichte braucht.
Buchdaten

Titel: Dynasty of Hunters
Autorin: P.J. Ried
Seitenzahl: 480
Alter: ab 14 Jahren empfohlen
In der Bibliothek verfügbar: Ja
In der Onleihe verfügbar: Nein
Inhalt
Ein Reich, aufgeteilt in Fürstentümer - und eine Jahrhunderte alte Tradition: die Jagdspiele. Um offiziell in die Gesellschaft der Adeligen aufgenommen zu werden, müssen die Kinder der Fürstenfamilien auf der Insel Arc-en-ciel einen ihnen zufällig zugelosten Bürgerlichen innerhalb einer Woche finden und mit ihrer Magie zeichnen. Gelingt ihnen das nicht, werden sie verstoßen.
Laelia ist die Kronprinzessin des Adelshauses de Bleu. Wenn sie die Jagdspiele erfolgreich abschließt, wird sie beim Rücktritt ihrer Eltern die neue Fürstin des Fürstentums. Doch bei der Losziehung zieht sie nicht die Nummer einer Jägerin - sondern die einer Gejagten.
Proteste werden laut, doch die oberste Regel der Jagd ist unumgänglich: Das Los ist Gesetz. Laelia de Bleu ist eine Gejagte. Und ihr Jäger ist niemand geringeres als ihre große Liebe Laurent de Vert.
Ihre gesamte Welt zerbricht binnen Sekunden vor Lias Augen. Nichts ergibt mehr Sinn. Jemand hat die Lose vertauscht. Doch wer würde so etwas tun? Und wie?
Auf Arc-en-ciel muss Lia sich nun also vor ihrem Liebsten verstecken statt mit ihm gemeinsam zu jagen. Dabei stellen die Insel und ihre Bewohner ihr immer wieder Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Aber einige davon kann sie nicht allein bewältigen...
Die Charaktere
Laelia de Bleu ist die Protagonistin, aus deren Sicht die Bücher größtenteils geschrieben sind. Und trotz allem, was ich im letzten Blog Beitrag darüber gesagt habe, keine Hauptcharaktere zu mögen, muss ich doch sagen, Lia hat mein Herz. Sie ist zwar anfangs insofern sehr naiv, der Tradition der Jagdspiele blind loyal gegenüber zu sein, aber ich denke das lässt sich erklären und im Zuge dessen verzeihen.
An dieser Stelle ein kleiner Exkurs zum Thema unethische Traditionen in Büchern, die die Charaktere (zunächst) nicht hinterfragen.
Das bekannteste Beispiel einer solchen Tradition sind wohl die Hungerspiele aus "Die Tribute von Panem" von Suzanne Collins. Hier werden jedes Jahr 24 (oder mehr) Kinder und Jugendliche in eine Arena geschickt, um sich dort gegenseitig zu töten. Und obwohl die Hungerspiele "nur" knapp 80 Jahre existierten, hat sie trotzdem kaum jemand hinterfragt (zumindest nicht aus den Reihen der Profitierenden).
Ich denke, die wenigsten, die meinen Blog lesen, haben auch nur annähernd ein Gefühl dafür, wie lang 80 Jahre sind, geschweige denn mehrere Jahrhunderte, wie es in "Dynasty of Hunters" der Fall ist. Uns erscheint das alles völlig fremd, weil wir nicht damit aufgewachsen sind und uns unweigerlich fragen, wie jemand solche Hungerspiele oder Jagdspiele für moralisch vertretbar erachten kann.
Aber ebenso würden Aliens wohl auch Weihnachten nicht verstehen. Das ist unsere seit Jahrhunderten bestehende Tradition - bloß, dass wir an Heiligabend keine Bürger der Unterschicht jagen und durch Magie zu einem Dasein als unsere Sklaven verdammen. Aber wäre das der Fall, würden wir es wohl auch einfach hinnehmen, mit einigen Aufständen der Leidenden, aber niemals der Profitierenden.
Und genau das ist der Fall bei Laelia und den anderen Adeligen. Sie sehen wenig Falsches an den Jagdspielen, weil ihnen beigebracht wurde, sie zu gewinnen würde ihnen die Tür zur finalen Aufnahme in die Reihen der erwachsenen Adeligen öffnen. Dass sie dafür den Bürgerlichen deren Leben rauben und ihnen ewige Dienerschaft aufzwingen, kommt ihnen dabei gar nicht in den Sinn.
Bis Lia auf der Insel einige Bürgerliche trifft und sich mit ihnen zusammenschließt. Zunächst nur zum Zweck, die Gefahren der Insel zu überleben und den Gejagten ihrer Cousine Astoria im Auge zu behalten. Unweigerlich lernt sie die vier Jugendlichen dann aber natürlich doch besser kennen, erfährt Dinge über ihr Leben und was sie verlieren würden, wenn sie von ihren Jägern gefangen werden.
Sie lernt die andere Seite der Jagd kennen: die Seite der Leidenden.
Um mal wieder ein bisschen Gen Z Sprache in das ganze Hochdeutsch hier rein zu bringen: The character development is character developmenting.
Astoria de Bleu ist Laelias Cousine. Die beiden sind sich so nah wie man sich nur sein kann und planten vor Laelias Losziehung, gemeinsam mit Laurent und Irina de Vert die Jagdspiele zu bestreiten und sich gegenseitig bei der Jagd zu helfen und so gemeinsam in die Reihen der Adeligen aufgenommen zu werden. Lia und Tori treffen sich auch im Laufe der Spiele wieder und ergründen gemeinsam, wie es zu Lias Los als Gejagte hatte kommen können. Sie ist eine ausschlaggebende Figur in der Handlung - gleichzeitig aber auch komplett irrelevant. Die Aussage wird Sinn ergeben, wenn ihr das Buch lest (ich kann euch ja auch nicht alles verraten).
Relevanz hin oder her, Tori ist wundervoll.
Laurent de Vert is Laelias Partner seit mehreren Jahren und seit der Ziehung der Lose auch ihr Jäger. Wir bekommen ihn nicht viel zu Gesicht vor Ende des ersten Buchs, wo wir dafür plötzlich mit Informationen über ihn und seine Schwester regelrecht bombardiert werden. Ich kann ehrlich nicht viel über ihn sagen, ohne eigentlich alles zu spoilern, was passiert, deswegen schnell weiter.
Ray ist einer der Bürgerlichen, die Laelia auf Arc-en-Ciel trifft und denen sie sich anschließt. Und was soll ich sagen, ich liebe Ray. Er ist so ein Softie. Ein Softie, der in seinem jungen Leben bereits viel zu viel Schmerz erfahren hat, sowohl vor als auch während den Jagdspielen. Ich will ihn einfach drücken. Ich will ihm einen Ort geben, an dem er nicht mehr stark sein muss. An dem er nicht mehr allein die Verantwortung auf seinen Schultern trägt.
Ich bin in der Arbeit, ich darf jetzt nicht weinen. Also machen wir mit Amber, Melvin und Emeric weiter bevor ich doch breche.
Amber, Melvin, Emeric sind die anderen drei Bürgerlichen der Truppe.
Amber ist die Maus der Gruppe. Sie hat furchtbare Angst vor den Jagdspielen und den Jägern, gibt aber ihr bestes um tapfer zu sein, worin sie mit der Zeit auch immer besser wird. Am Ende ihrer Geschichte hat sie sich meiner Meinung nach die Bezeichnung "bad bitch" absolut verdient!
Random side fact über sie: Sie stickt und näht gerne. Sie stickt auf all ihre Klamotten die Blume ihres Heimatfürstentums um sich einen Teil ihres Zuhauses und ihrer Selbst zu bewahren, und näht auch Lia ein Kleid. Und nicht nur irgendein Kleid, sondern das in mit Abstand umwerfendste Kleid, das ich mir jemals vorgestellt habe. Ich wünschte, ich könnte zeichnen, dann würde ich Lia in dem Kleid zeichnen, aber leider sind selbst meine Strichmännchen immer deformiert.
Melvin würde ich jetzt den sunshine Stempel aufdrücken. Er ist so unfassbar liebenswert. Ich würde ihn im Club auf mein Getränk aufpassen lassen, und das soll was heißen. Er würde das Glas mit seinem Leben verteidigen. Ebenso wie er die Gruppe mit seinem Leben verteidigt. Er ist toll. Er ist alles, was ich gern wäre.
Emeric ist Lia gegenüber von Anfang an skeptisch eingestellt, dennoch beschützt er sie als es darauf ankommt mit seinem Leben. Er erinnert mich ein bisschen an mich selbst ehrlich gesagt, ich hab mich ihm sehr verbunden gefühlt während ich das Buch gelesen habe - und ich bin nicht sicher, ob das was Gutes oder was Schlechtes ist. Er ist ein Charakter, der weder schwarz noch weiß ist. Er hat seine Vorurteile und seine Schwächen und Probleme und Fehler, aber im Herzen ist er gut. Nicht fehlerfrei, aber gut. Ich glaube, das fasst Emeric gut zusammen.
Für Irina de Vert, Laurents Zwillingsschwester, gilt das gleiche wie für Laurent selbst: quasi keine Informationen bis zum Ende des ersten Bandes und ich kann euch auch nichts über sie sagen, ohne alles zu spoilern, aber sie muss erwähnt werden, sie ist wichtig. Was ich allerdings sagen kann, ist, dass auch bei ihr Character Development großgeschrieben wurde. Sie ist eine Powerfrau, weiß was sie will und kämpft auch dafür. Feministin durch und durch, lässt sich von halbstarken mittelalten Männern, die ihr das Wort rauben wollen, nichts gefallen und kämpft bis zum Schluss um die Anerkennung ihrer Eltern.
Sieht aus, als könnte ich doch gut was über sie sagen, ohne zu spoilern lol.
Meine Meinung
Ich glaube, allein daran, dass die Vorstellung der Charaktere aus "Dynasty of Hunters" (ausgenommen Zitate und anderweitige Abschweifungen) fast doppelt so lang ist wie die letzte von "Celestial City" kann man erkennen, dass ich die Charaktere und deren (Weiter)Entwicklung im Laufe der beiden Bücher um einiges lieber mag als die aus Celestial City.
Allein das macht die Bücher für mich so lesenswert. Die Geschichte eines Buchs kann noch so gut sein - wenn die Charaktere Mist sind, ist der Rest auch Mist. Tut mir leid, aber das ist ein Fakt. Und hier stimmt wirklich alles, Charakter UND Story.
Das Einzige, dass ich bemängeln KÖNNTE, ist der Anfang des zweiten Buchs, der zieht sich nämlich wie Kaugummi.
Einerseits wäre es hier vielleicht lohnend gewesen, weitere Sichten als nur Irinas einzuführen, dass wir zum Beispiel zwischendurch Kapitel aus Astorias oder Rays Sicht bekommen, also von Charakteren, die sich in einer anderen Situation befinden als Lia.
Andererseits verstehe ich aber auch den Sinn dahinter, genau das nicht zu tun. Es lässt die Leser:innen mit Laelia mitfühlen, sich genauso verloren und gefangen und hilflos fühlen wie sie. Zusätzliche Sichten können den Leser:innen einen Hoffnungsblick auf ein happy end geben. Es nicht zu tun ist eine bewusste Entscheidung, bestimmte Gefühle während des Lesens zu wecken. Und das mit Erfolg. Nur weil es frustrierend war, zu lesen, heißt nicht, dass ich die Entscheidung nicht gutheiße.
Mein Gott, ich fühl mich wie im Deutsch Unterricht.
"Die Vorhänge sind blau." - "Das Blau spiegelt seine tief liegenden Depressionen wieder."
"Es gibt keine extra Sichten von andern Charakteren." - "Die Leser:innen sollen sich so verloren und gefangen wie die Protagonistin selbst fühlen."
Liebe Grüße an Abi Sambale und Herr Schölzel an der Stelle. Das ist aus mir geworden xD
